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Kunst

Das Washington Project


Sonnenaufgang auf den San Juan Inseln, Sommer 2010

Das "Washington Project" ist eine Serie von Holzschnitten, an der ich seit 2010 gearbeitet habe. Ich möchte hier erzählen, wie es dazu kam.

Seit einigen Jahren werde ich vertreten durch die Cullom Gallery in Seattle im Bundesstaat Washington, USA. Im Sommer 2010 hatte ich dort eine Ausstellung und kam zur Eröffnung. Es war mein erster Besuch dort, und im Vorfeld hatten viele, denen ich davon erzählt hatte, mir von der Schönheit der Umgebung vorgeschwärmt. Vor allem von den San Juan Inseln, zu denen ich unbedingt fahren sollte. Ich wollte das sehr gern, nur dachte ich, dass es ohne Führerschein nicht möglich sein würde. Beth Cullom, meine Galeristin, hatte die Idee auch... und dann nahm sich ein Freund der Galerie, Joe Kaftan, drei Tage Zeit und wir fuhren auf die San Juan Islands, Joe um zu schreiben, und ich um Holzschnitte zu entwerfen. Joe kannte die Inseln sehr gut. Er entschied, dass ich schon bei Sonnenaufgang auf dem höchsten Berg arbeiten würde.

Es entstanden Tuschzeichnungen und mehrere Holzschnitte.

Seit 2007 hatte sich mir die Möglichkeit zur Arbeit in Landschaften Nord-Amerikas wiederholt durch Einladungen ergeben. Ich war mit Kollegen mitgefahren in kanadische Nationalparks oder einsame Landschaften in den USA, Orte von großer Weite. Mit meinem Wunsch, in der Arbeit in tiefe und unberührte Ebenen vorzudringen, konnte ich dort sehr gut arbeiten.

 

"Kunst kommt nicht aus einem Loch in der Wand", ist ein Spruch von Beth, und das möchte sie ihren Kunden vermitteln. Als ich im Frühjahr 2011 wieder einen Arbeitsaufenthalt in den USA plante, hatten wir beide die Idee, die ersten Arbeiten von den San Juan Islands weiterzuführen zu einer größeren Holzschnitt-Serie von weiteren Orten aus Washington State. Beth oder Joe würden mich begleiten, zusehen und dokumentieren, wie die Holzschnitte entstehen, als ein Beispiel wie Kunst gemacht wird. Beth nannte das Ganze das "Washington Project".

 

1. Tag, 16. April 2011

Beth und ich fuhren aus Seattle nach Osten, ins Landesinnere Washingtons. Wir kamen nachmittags an unserem Ziel an, dem kleinen Ort Tieton, und machten uns sofort auf die Suche nach einem Ort für einen ersten Holzschnitt. Wir fuhren an einem Fluss entlang mit aufregenden Felshängen aus Basalt. Ich merkte, es war nicht leicht, jemandem zu erklären, wodurch sich ein Ort als Motiv eignet. Wichtig ist für mich das "richtige" Licht, oft Gegenlicht, was die Kontraste erhöht und das Arbeiten mit reduzierten Farben = wenigen Platten erleichtert. Es muss eine spannungsreiche Komposition möglich sein, Elemente, die sich auf einander beziehen. Alles darf auch nicht zu weit weg sein.

Es war mir etwas unangenehm, immer wieder zu sagen: "Nein, das ist nicht das Richtige". Hier war es der sinnlose Mittelstreifen und das chaotische Gewächs im Vordergrund.

Aber schließlich kamen wir an der richtigen Stelle vorbei. Ich sprang aus dem Auto und machte meine Skizze. Die Sonne ging schnell unter und ich musste mich beeilen.

Wenn ich einen Entwurf für einen Holzschnitt male, reicht es, Linien und Außenkanten von Flächen aufzunehmen. Ich muss nicht alles ausmalen. Ich kann mich auf das Wesentliche konzentrieren und das kommt dem Ergebnis zu Gute.

 

2. Tag

Washington State ist geologisch hochinteressant und voll imposanter Landschaften, die die Entstehung von vor Jahrmillionen deutlich zeigen. Beth hatte potentielle Orte recherchiert und wir machten uns auf die Fahrt zu einem markanten Fels, Steamboat Rock. Auf der langen Fahrt kamen wir an einigen kompositorisch interessanten Orten vorbei. Wir hielten schließlich an einer Stelle, wo sich hinter einem glitzernden See eine hohe Felswand erhob, vor der weiße Vögel kreisten.

 

 

Wir fuhren weiter und kamen vorbei an einem See, aus dem drei Felsen aufragten.

Ich machte eine Skizze. Die Sonne stand inzwischen schon recht tief und wir waren noch lange nicht bei Steamboat Rock.

 

Als wir ankamen, war die Sonne dicht über dem Fels. Ich sah, dass ich nur ein paar Minuten Zeit hatte und machte schnell meine Skizze. Der Zeitmangel wirkte sich günstig aus.

 

3. Tag

Am nächsten Tag fuhren wir in eine andere Richtung, einen wilden Fluss entlang durch Wald. Wir hielten an einem Campingplatz und sondierten. Beth hatte als Kind auf solchen Campingplätzen Ferien gemacht und die hohen Kiefern geliebt. Ob ich von solch einem Baum einen Holzschnitt machen könnte? Ja. Wir suchten und fanden schließlich "The Pine Tree", den perfekten Stellvertreter seiner Gattung. Aber erst einmal fuhren wir weiter und kamen an einer mystischen sumpfigen Stelle vorbei.

 

 

Später fuhren wir zurück zum Campingplatz und suchten "The Pine Tree". Wir liefen herum und suchten und fanden ihn nicht. Alles sah anders aus. Schließlich entschieden wir uns für einen Baum, der es sein könnte.

Ich legte mich darunter und fing an zu zeichnen. Unendlich viele Äste und Nadeln wollten gezeichnet werden und ich merkte, dass ich in diesem Moment nicht die notwendige Ausdauer und Überzeugung dazu hatte. Ich stellte fest, dass ich scheiterte und hörte auf.

 

4. Tag

Zurück in Seattle. Joe, der mit mir weiterfahren wollte, war krank. Es erbot sich ein weiterer Freund der Galerie, Mark Minerich, mit mir zum Mount Rainier zu fahren, südlich von Seattle. Mt. Rainier ist der höchste Berg Washingtons und ein bedeutendes Symbol.

Mark hatte als junger Mann Kunst studiert und dann einen Beruf ergriffen, der ihm erlaubte, seine künstlerische Arbeit weiterzuführen. Jetzt in Rente konnte er sich diesem Lebensbereich wieder mehr widmen und tat das auch, indem er Beth in ihrer Galerie half.

Beth hatte mir die Abbildung eines Holzschnitts gezeigt, den der japanische Künstler Hiroshi Yoshida in den Zwanziger Jahren am Mt. Rainier entworfen hatte mit einem gut sichtbaren Gipfel. Das sah sehr gut aus! Beth meinte, diesen Blick hätte man vom Aussichtspunkt "Paradise". Mark und ich fuhren also zu diesem Punkt. Es sah ganz anders aus. Der Gipfel war irgendwo über uns in den Wolken. Wir fuhren und liefen herum, ohne dass ich Mark erklären konnte, wonach ich suchte. Weiter unten fand ich die richtige Stelle.

Wir sahen Tiere.

 

5. Tag 

Das ist Joe Kaftan. Er ist Designer/Künstler und Kayak-Lehrer. Daher kennt er die Küste und die Inseln Washingtons sehr genau.

Joe und ich machen uns auf den Weg zur Olympic Peninsula, eine große Halbinsel westlich von Seattle. Die Olympic Peninsula ist wunderschön, mit langen unberührten Stränden, einem Regenwald und Bergen. Es gibt dort einige Indianer-Reservate, aber eigentlich ist die Halbinsel kaum bewohnt.

Joe zeigte mir einen Strand, an dem eine kleine, dicht mit Kiefern bewachsene Insel stand, aufregend. Ich war eigentlich noch von den Holzschnitt-Entwürfen der vergangenen Tage müde und hatte keine Lust zu arbeiten. Aber Joe war der Meinung, ich sollte hier unbedingt einen Holzschnitt entwerfen. Also machte ich es.

Ganz überraschend kam die Flut und ich musste mich wieder einmal beeilen, fertig zu werden.

 

Wir fuhren weiter und kamen an einem schönen See vorbei, mit glitzerndem Wasser vor Bäumen. Wie oft konnte man nirgends parken, nur auf einem Parkplatz, von dem aus die Szenerie ohne Bäume weniger hintergründig wirkte. Joe ließ mich bei den Bäumen aus dem Auto springen und sammelte mich später wieder ein.

 

6. Tag

Wir machten uns auf dem Weg zum Cape Flattery, dem nordwestlichsten Punkt der USA. Wir liefen durch einen Wald zum Kap. Schön, aber kein Motiv für einen Holzschnitt.

Auf der Nordseite des Kaps gab es einen Punkt mit einer wilden Aussicht auf dunkle Höhlen und Felsen im Wasser.

Ich zeichnete und musste irgendwann ein weiteres Blatt anstückeln. Es gab diverse Höhlen, Felsen und dann auch unendlich viele Bäume. Ich merkte, dass ich weniger komponierte als dokumentierte und hörte auf.

Ich fand auf der Südseite die perfekte Stelle, mit Bewegungen und Gegenbewegungen und schönem Gegenlicht.

 

Wir fuhren dann weiter zu einem anderen Strand, Shi Shi Beach. Nach einer langen Wanderung durch einen matschigen Dschungel kamen wir an. Eine aufregende zackige Küstenlinie war zu sehen, weit weg.

Die andere Seite war vom Licht her nicht gut.

Ich versuchte, etwas aus dem großen Baumstamm zu machen.

 

7. Tag

Der letzte Tag. Wir hatten noch zwei Orte vor uns. Zuerst der Strand von La Push, das sollte sehr schön sein. Wir mussten wieder durch einen Wald laufen.

Wir wurden von einer unglaublichen Szenerie empfangen.

Ich machte mich sofort an die Arbeit.

 

 

Danach hatte Beth uns beauftragt, in den Hoh National-Wald zu fahren, den Regenwald.

Während wir hineinfuhren, sah ich aus dem Auto hinter den Bäumen ein breites Flussbett liegen. Ein dünner Fluss floss hindurch. Überall lagen riesige weißgebleichte tote Baumstämme. Tote Bäume ragten schräg in die Luft. Dahinter erhoben sich Berge.

 

Danach hatte ich das Gefühl, dass die Arbeit abgeschlossen war.

Auf dem Heimweg sahen wir noch viele wunderschöne Orte.

 

Mai 2011 - Februar 2012

Als ich nach Hause kam, machte ich mich an die Arbeit.

Ich kaufte neues Holz und begann mit dem Schneiden.

Neben anderen Dingen, die auch getan werden mussten, schnitt ich zehn Monate.

Während ich schnitt, ging ich wieder durch die Landschaften und erinnerte mich an die Gespräche mit meinen Freunden.

Ein erster Abrieb:

Dann begann ich mit den Probedrucken.

 

 

 

Die Holzschnitte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Holzschnitt-Serie hätte es nie gegeben ohne den Beitrag von Beth, Mark und Joe.

Februar 2012

 

(Fotos von Beth Cullom, Mark Minerich, Joe Kaftan und mir)

 

 


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